DER EM-EINWURF
EURO 2008 – ein Wintermärchen
(http://www.abendblatt.de/)
Jetzt flattern sie wieder, die Fahnen! Auf Fahrrädern, in Schrebergärten, an dunklen Limousinen: Schon im Mai haben wir bereits wieder Wimpel gezeigt. Die EURO kommt!
Bei den meisten Fahrzeugen, die jetzt beflaggt durchs Straßenbild kreuzen, handelt es sich eben nicht um Staatskarossen. Fehlen doch die Leibwächter, die, links und rechts des Kühlers laufend, wie weiland Clint Eastwood wachsamen Auges die Gefahren bannen sollen, die von außen kommen. Wie zum Beispiel die kroatische Nationalmannschaft.
Auf die wir aber unweigerlich treffen werden. Mag ich ja gar nicht, den Gedanken. Unangenehme Mannschaft, die. Blöde Erinnerungen, das.
Nach dieser durchwachsenen Bundesligasaison sind wir aber alle erstmal froh, dass wir den grausamen Durchmarsch der Bayern jetzt vergessen und uns auf etwas Schönes konzentrieren können. Denn es geht ja in den nächsten Wochen nicht um Erfolg. Wir haben keinen Druck. Schließlich treten wir ja nicht zu einem echten sportlichen Wettkampf an, wir engagieren uns. Für eine gute Sache: Ein Fußball-Turnier in unseren beiden südlichen Schwellenländern, nun, das geht doch, vorsichtig formuliert, mehr in Richtung Entwicklungshilfe. Wir versuchen, dort zu helfen, wo die Not am größten ist.
Das Geld für die Eintrittskarten der österreichischen Nationalmannschaft soll man ja auch, wie ich gehört habe, als Spende von der Steuer absetzen können.
Andererseits hat man ja bei der WM gesehen, wohin die Euphorie eine mindertalentierte Mannschaft bringen kann! Ich meine natürlich die Südkoreaner 2002…
Ehrlich? Gut. Auch wir Deutschen haben diesen Trick schon angewendet: Wenn man Motivatoren wie Berti Vogts und Erich Ribbeck als Trainer hat, Spieler wie Paulo Rink oder Marko Rehmer, also kurz gesagt: sportlich um die Qualifikation fürchten muss, bewirbt man sich einfach um die Ausrichtung des Turniers. Und wird dann letztlich sympathischer Dritter. Ein Ziel, das Österreich in der Vorrundengruppe B aber auch erstmal erreichen muss. Dazu muss man Polen schlagen. Oder uns. Oder Kroatien. Eh, nee können wir nicht doch noch die Gruppe wechseln? Okay, wir wollen ja Gegner und keine Opfer.
Apropos Opfer: Man kann den Österreichern und den Schweizern ja nichts vorwerfen. Die verschießen ja nicht absichtlich fünf Elfmeter in einem Spiel. Die wollen bestimmt auch treffen! Sie sind nur einfach, ehm, anders! Die haben Berge und Schnee. Wir haben – Bispingen!
Die Gastgeber der EURO haben eigentlich andere Stärken. Für uns Norddeutsche ist Wintersport eine schräge Sache.
Neujahrsspringen kann man sich ansehen, das ist gut zum Ausnüchtern. Ohne Restalkohol ist das aber nur so schwer zu ertragen wie ein Erstligaklub aus Hoffenheim. Das ist doch ein schlimmer Anblick: Beim Skispringen zeigen sie magersüchtige Männer! Wenn man mehr als drei Kilo wiegt, kommt man ja die Schanze gar nicht rauf! Deshalb brauchen die dabei auch immer absolute Windstille, sonst landen die Jungs im Wald. Und da im Unterholz kann man diese Äste lange suchen… Wahrscheinlich tragen sie deshalb diese knallbunten Anzüge, damit man sie im Zweifelsfall noch findet. Eiskunstlauf ist ja noch schlimmer. Allein die Musik macht einen doch verrückt: ‚Best Of Andrew Lloyd Webber‘ – ein Widerspruch in sich. Und dann haben die immer dieses festgefrorene Grinsen im Gesicht, das man nur von Hostessen auf der InterNorga kennt. Und dieselbe maschinell gebräunte Gesichtsfarbe. Also wirklich. Meine Oma hat immer gesagt: „Wenn Grillwürstchen in der Kühltruhe um ihr Leben tanzen würden, kurz bevor sie gefressen werden: Das ist Eiskunstlauf!“ Recht hatte sie. Und gut, dass wir unseren Rasensport haben. Herrlich. Da sind wir wer. Mit und ohne Fahne.