FSA statt FIFA

17. Juni 2010

So, mit dem Beginn der zweiten Runde beginnt die WM dann schon zu nerven.

Man stellt fest, wie viel Zeit man vor wirklich unendlich langweiligen Spielen vergeudet hat. Und – noch schlimmer – man realisiert, daß die untalentierten Mannschaften, die für diese Zeitverschwendung letztlich verantwortlich waren, immer noch im Turnier sind. Und tatsächlich sogar noch zweimal angesehen werden müssen! Das ist grausam! Eine besondere Variante des K.O.-Systems: Denn der, der komatös in der Ecke liegt, ist der Zuschauer.

Vor allem diese Erkenntnis der eigenen Ohnmacht ist immer wieder schrecklich… Das ist dieses blöde Gefühl, wenn man im Stau steht – klar, man hätte auch die Bahn nehmen oder bereits gestern fahren können – das weiß man, denkt aber trotzdem: MUSS DAS DENN JETZT SEIN!??

Genauso fragt man sich jetzt: Können die das nicht in der Qualifikation klären? Muss man diese Koreaner wirklich mitmachen lassen? Aus purer Menschenliebe? Muss ein fußballerisch offensichtlich minderbemitteltes Land Gastgeber sein? Und, wenn schon, warum lässt man die dann auch noch spielen? Kann man dann nicht auch mal während des Turniers z. B. sagen: „Liebe Griechen, Ihr habt Euch qualifiziert, da kann man nichts machen. Aber seht es doch ein, es hat einfach keinen Sinn… Ihr macht Euch doch nur unbeliebt, denkt doch auch mal an den Tourismus! Kommt, wir laden Euch ein, seht Euch ein paar richtige Fußballspiele an, Karten haben wir ja noch. Genießt die WM doch vielleicht besser als Zuschauer…“ etc. pp. Freiwillige Selbstaufgabe – das wäre doch eine Maßnahme. FSA.

Aber schon klar, die FIFA wird das nicht zulassen. Die wird im Gegenteil das Teilnehmerfeld in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch weiter aufblähen und das Turnier bald mit 172 Mannschaften auf fünf Kontinenten durchführen – rund um die Uhr (je nach Zeitzone) und zwar durchgehend das ganze Jahr.  Und ich werde auf meinem Sofa verschimmeln, meine Familie wird mich längst verlassen haben und die letzte beglichene Rechnung wird die des Kabelbetreibers gewesen sein…

Wir sind WM-Weltmeister!

16. Juni 2010

Wir müssen realisieren: Unsere WM 2006 war die beste aller Zeiten. Also, abgesehen vom Gewinner. Da waren wir einfach zu gastfreundlich, man hätte die Italiener niemals mit dem Pokal abziehen lassen dürfen.

Ansonsten war das „the best worldcup ever“!! Bei uns wurde im Stadion nicht geblasen, sondern gesungen – das war schön. Und am Fernseher konnte man den Kommentator verstehen! O.K., es war nicht alles gut…

Aber, wenn man z.B. jetzt auch beim Turnier in Südafrika Spieler mit Handschuhen und Betreuer mit Wollmützen sieht, realisiert man dreierlei:

1. In Südafrika ist jetzt Winter.

2. Die Brasilianer sind echt die größten Weicheier des Planeten.

3. In Deutschland war das Wetter besser!

Wir hatten halt den Beckenbauer – der kann sowas, das sogenannte Kaiserwetter.

Unser WM-Motto war treffend, es war einladend und kosmopolitisch. „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Das traf die Sache! Was wurde denn vorher gemeckert, von wegen „Dann bringt doch die angolanische Nationalmannschaft mal in Brandenburg unter! Da bekommt der Begriff Trainingslager dann aber eine neue Bedeutung!!“. Und nichts ist passiert. Abgesehen vom Anblick der italienischen Nationalmannschaft gab es keine Gewalt. Im Gegenteil: Ich fuhr damals mit meinem Wagen – hamburger Kennzeichen!! – nach Bremen. Gott weiß, was da normalerweise abgeht. Nicht im Sommer 2006: Da öffneten sich die Türen und die Fenster und die Menschen riefen: „Fremder, komm zu uns zum essen!“ Gut, es kann auch sein, daß sie gerufen haben: „Komm her, Du kriegst auf die Fresse!“ Aber es fühlte sich anders an…

Und was ist das Motto der WM in Südafrika? „Feiert Afrikas Menschlichkeit“ – Tröööööööööööööt! Neeee. So nicht. Angesichts der einschläfernden Leistungen der meisten Mannschaften an den ersten Turniertagen und des gleichmäßig nervtötenden Geräuschpegels sollte man meinen, es lautete: „Mittagsschlaf im Bienenstock“!?!

Aber was kümmert uns das? Wir tragen keine Verantwortung diesmal. Wir sind jetzt die Gäste. So. Wir müssen uns um niemanden kümmern, dürfen kommen und gehen, wann wir wollen. Und müssen niemanden zuvorkommend behandeln. Unsere Höflichkeit in allen Ehren – diesmal nehmen wir keine Rücksicht. Diesmal nehmen wir den Pokal mit.

Vuvuzeland

15. Juni 2010

Die Öffentlichkeit ist manchmal wie meine Frau: Völlig überrascht vom Eintritt des Vorhersehbaren. Meine Allerwerteste neigt beispielsweise gelegentlich dazu, nicht zu tanken. Wundert sich dann aber, wenn der Wagen stehen bleibt.

Genauso war der Welt das Prinzip Vuvuzela lange, spätestens seit dem Confederations-Cup hinlänglich bekannt. Dennoch schreien jetzt alle auf wie in der Antarktis völlig unerwartet von der Tarantel gestochen.

Feststellen muss man: Die Dinger nerven. Sie klingen wie ein Handytelefonat, bei dem jemand neben einer Funkbox oder auf einem Sendemast sitzt und es zu diesen charakteristischen nervtötenden 90er – Jahre – Brummgeräuschen kommt. Oder nach einer depressiven Büffelherde, die ihr Schicksal beklagt. Unangenehm und absolut abtörnend wie ein Grönemeyer – Song.

Die Beschwerden der argentinischen Nationalmannschaft, Fußball sei ein Kommunikationssport und man könne sich ja jetzt während des Spiels gar nicht mehr unterhalten, finde ich dagegen absurd. Die sollen nicht quatschen, die sollen laufen! Abgesehen davon, daß es Spieler gibt, die auf dem Platz auch nicht gerade zuträgliche Dinge von sich geben – denken wir nur an unseren Freund Materazzi. Zidane hätte seine Karriere triumphal beenden können, wenn das Stadion die rückwärtigen Äußerungen dieses minderbemittelten italienischen Abwehrrecken schlicht niedergeblasen hätte.

Insofern plädiere ich auch nicht wie die BILD , Blatter und Bierhoff für ein Vuvuzela-Verbot, sondern für eine gezielte Einsetzung derselben. Steffen Simon kommentiert? TRÖÖÖÖÖÖT! Maradona gibt eine Pressekonferenz? TRÖÖÖÖÖÖT! Sepp Blatter hält eine Rede? TRÖÖÖÖÖÖT! Ein italienischer Spieler läuft allein auf das gegnerische Tor zu? TRÖÖÖÖÖÖT!

Das  ist keine Zensur, das ist Mitbestimmung.

Nur Italien Nicht!

15. Juni 2010

Kontinentalpässe

30. Juni 2008

EM-EINWURF

Kontinentalpässe

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Das war eine in vielerlei Hinsicht tolle Europameisterschaft. Nicht nur fußballerisch unglaublich aufregend. Sport trägt ja auch zur Völkerverständigung bei. Es geht nicht nur um Gewinnen und Verlieren – auch um Verstehen! Und, in der Tat, während dieses Turniers hat man wieder einiges gelernt über unsere europäischen Freunde, Nachbarn und Gäste.

Natürlich wurden manche Klischees bestätigt: Rumänen können nur ohne Druck, Türken nur mit. Die Russen können unglaublich schnell rennen. Und meistens im Rudel.

Was ich auch schon vermutet hatte: Die Schweizer sind nicht wirklich neutral. Die wollten wirklich in die K.-o.-Runde. Und sie haben sogar jemanden geschlagen!

Was wir auch schon aus ihren Möbelhäusern wussten: Schweden brechen bei der geringsten Belastung auseinander. Aber es gab auch Überraschungen: So haben wir sehr dezente Griechen gesehen. Sie brachten ungern andere in Bedrängnis, sondern versammelten sich lieber still, geradezu depressiv um das eigene Tor. War mir bisher bei denen noch nicht aufgefallen, diese geradezu philosophische Zurückhaltung. Ich kannte bisher überwiegend Griechen, die laut gackernd Unschuldigen schreckliche Musik, hochprozentigen Schnaps und fettiges Fleisch aufdrängten. Aber sie können auch ganz anders!

Die Geographiekenntnisse wurden durch diese EURO ebenfalls revidiert. Was ich gar nicht wusste: Russland gehört zu Europa. England nicht. Man guckt Fußball und erweitert seinen Horizont. Toll!

Oder denken wir an die Alterspyramide. Wir Deutschen machen uns Gedanken darüber, dass unser Volk ausstirbt. Lächerlich! Bei den Franzosen ist es offenbar viel schlimmer: Deren Mannschaft konnte man ja sprichwörtlich beim Altern zusehen!

Auch was den Umgang mit Fremden angeht, sieht es bei uns besser aus als bei vielen anderen. Den Österreichern fiel gegen die Polen einfach nichts ein, obwohl sie unbedingt gewinnen mussten. Sie sind sich die Hacken wund gelaufen. Ergebnislos. Beziehungsweise unentschieden. Wir aber haben es ihnen mal wieder vorgemacht: Polen schlägt man nicht, Polen integriert man! Dann schießen sie sich selbst ab. Das ist auch viel lustiger!

Wir müssen alle noch viel lernen. Mehr Kommunikation täte gut, insbesondere auch die mit den EURO-Gastgebern.In dieser Beziehung spielt die unaufgearbeitete Vergangenheit offenbar immer noch eine große Rolle. Was soll ich sagen: In einem Wiener Kaffeehaus hat man mir während meines dortigen Aufenthaltes versucht, als Kaffeespezialität ausgerechnet einen „kleinen Braunen“ anzudrehen! Mir als Deutschem! Und dann auch noch zum Mitnehmen! Nee nee. Zu uns kommt so einer nicht noch mal…

Zugegeben: Polen, Kroatien, Österreich – die Vorrunde erinnerte schon an den zweiten Weltkrieg. Nur die Reihenfolge war anders. Und das Ergebnis. Aber darüber muss man doch reden können!

Sehr kontraproduktiv war es natürlich, dass die Uefa verhindern wollte, dass sich ein Deutscher und ein Österreicher verständigen. Weil sie das trotzdem taten, mussten sie auf die Tribüne. Zu Frau Merkel. Das nenne ich Höchststrafe! Aber wir stellen fest: Die Welt wächst zusammen. Mittlerweile heißen türkische Nationalspieler Aurelio, polnische Guerreiro und österreichische Korkmaz. Multikulti allenthalben. Europa ist toll. Und Fußball verblödet nicht, er bildet.

Danke!

Wir wollen nur Fußball spielen

24. Juni 2008

Wir wollen nur Fußball spielen

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Heidewitzka – das hatte nun keiner vermutet, dass wir derart furios ins Halbfinale einzögen, oder? Wow! Was hat mir am Freitag der Galao geschmeckt! Und unser Halbfinale wird ein echter Knaller: Gegen die Türken! Wir spielen quasi gegen unsere Mitbewohner. Das ist hart. Ich will die eigentlich gar nicht schlagen! Das sind mir zu viele! Und ich finde die meisten auch ganz nett! Zum Beispiel habe ich mich über die Jahre fast angefreundet mit Oktay. Ich kaufe bei ihm täglich Zigaretten und Zeitungen. Der Mann ist stets gut gelaunt und supernett.

Aber es hilft nichts. Am Donnerstag, wenn ich mir den „kicker“ hole, tausche ich mit ihm die Rollen: Dann gibt er den schlecht gelaunten Morgenmuffel, der sich hinter seiner Zeitung verkriecht; ich dagegen den aufgekratzten Gute-Laune-Bär, der Witze erzählt, laut telefoniert und sich dabei zwischen den Beinen kratzt. Verkehrte Welt. Aber man lässt uns ja auch keine Wahl. Die Uefa zwingt uns dazu. Am Mittwoch heißt es: „Die oder wir.“ Und das ist keine ernsthafte Alternative für mich. Und es ist ja auch nur Fußball: Wir tun ja nichts. Wir wollen nur spielen.

Und ich glaube fest daran, dass wir das Finale erreichen. Vor den Kroaten hatte ich größeren Respekt. Sportlich gesehen natürlich. Die haben uns zu oft auseinander genommen in den letzten Jahren. Die türkische Mannschaft dagegen wirkt doch arg gerupft. Haben sie doch permanent am Limit gespielt. Eine kürzere Regenerationszeit. Und eine Verlängerung im Kreuz. Oder meinetwegen im Halbmond.

Ist halt kraftraubend: Die Türken schießen ihre Tore fast nur in der Nachspielzeit. In Hamburg kennen wir das nur aus Werbeagenturen: Den größten Teil der Arbeitszeit rumhängen und nur das Nötigste erledigen. Aber dann – kurz vor Toresschluss – kommt Hektik auf und plötzlich wird dann doch noch abgeschlossen, was man entspannt in einem Drittel der Zeit hätte erledigen können. Die können offenbar nur unter Druck.

Ich denke, wir müssen uns keine Sorgen machen. Die Hälfte der türkischen Spieler ist gesperrt, die andere verletzt. Die können froh sein, wenn sie überhaupt elf Mann in einem Stück aufstellen können. Das sehen ihre Fans offenbar auch so. Die wollten ja schon alle nach dem gewonnenen Elfmeterschießen auf den Platz, um sich zur Unterstützung anzubieten.

Besser ist es.

Hilfe braucht vor allem Rüstü. Das ist nicht das türkische Äquivalent zur schweizerischen Kartoffelspezialität. Das ist ihr Ersatztorwart, der nur auf dem Platz steht, weil die Nummer eins, Volkan, seinem Namen alle Ehre gemacht hat. Rüstü trat früher noch mit Kriegsbemalung auf. Jetzt benutzt er Antifaltencreme. Der beweist eindrucksvoll, dass nicht jeder betagte Torwart noch in Form sein muss. Er kann vielmehr die üblichen Alterserscheinungen zeigen wie Desorientierung oder Arthrose. Aber: Achtung! Der hat gegen die Kroaten beide Tore vorbereitet. Der ist gefährlich – sogar für sein eigenes Team.

Was soll ich sagen, ich freue mich irgendwie auf das Spiel. Aber irgendwo tut es mir auch leid. Zwickmühle nennt man das wohl. Ein Beispiel:

Ich fahre mit meiner fast dreijährigen Tochter durch die Stadt. Sie juchzt hinten auf ihrem Sitz bei jeder Deutschland-Fahne, die sie draußen sieht. Auf dem Parkplatz eines Discounters entdeckt sie dann an einem Opel eine türkische. Sie zeigt darauf und sagt: „Guck mal, Papa. Die Fahne ist aber nicht richtig!“ Ich habe natürlich versucht, ihr zu vermitteln, dass diese Flagge nicht falsch ist, sondern nur anders. Aber irgendwie hat sie ja auch recht, oder? Zumindest für neunzig Minuten…

Und nur, dass wir uns richtig verstehen: Ich bin kein Nationalist. Ich hätte gestern beinahe eine Frau überfahren, die an ihrem Rad immerhin drei (!) Deutschlandfahnen befestigt hatte. Das ist die Kehrseite des Sommermärchens: Manche glauben nach dem Portugalspiel, schwarz-rot-gold verliehe übermenschliche Fähigkeiten. Oder zumindest das Recht, bei roter Ampel die Kreuzung zu queren. Das wiederum ist falsch.

Wien wird Waterloo – nicht Córdoba

16. Juni 2008

DER EM-EINWURF

Wien wird Waterloo – nicht Córdoba

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Das große Motto in Österreich lautet dieser Tage: „Wien wird Córdoba!“ Der Geruch der öffentlichen Verkehrsmittel dort hat schon eine südamerikanische Note, stimmt. Aber auch wenn man es kaum glauben mag: Sie meinen es tatsächlich fußballerisch. Sie wollen es machen wie damals und die großen, arroganten Deutschen schlagen. Gott bewahre! Das wird nichts heute. Ich bin höchstpersönlich in Österreich gewesen in der vergangenen Woche. Und ich kann nur sagen: Pustekuchen! Keine Angst, die haben es nicht drauf.

Das geht schon beim veranstaltenden Verband los. Der nennt sich ÖFB – klingt nicht nach Fußball. Eher nach öffentlichem Nahverkehr. Nach Busfahrern und Fahrkartenabknipsern. Vor denen müssen wir wohl kaum zittern. Und feiern können die auch nicht. Wisst ihr, wie die in Wien ihre Fanmeile nennen? Fan-Zone! Klingt nach DDR. Und genauso gut ist die Stimmung. Die Einheimischen kommen nicht. Denen ist das Bier zu teuer. Die wollen wohl noch ein Begrüssungsgeld. Ja, liebe Ösis, so wird das nichts mit dem eigenen Sommermärchen!

Ich, als Dalai Lama der deutschen Unterhaltungsbranche, versuchte dennoch, positiv Einfluss zu nehmen. Habe die Eingeborenen in jeder Hinsicht ausgehalten. Und ihnen Mut zugesprochen. Ich wies darauf hin, dass sich bei uns in Deutschland die Feierlaune bei der WM auch erst allmählich entwickelt habe. Das hätte mehr als eine Woche gedauert. „Ja!“, sagten sie daraufhin, „kann schon sein. Aber so viel Zeit haben wir nicht. Dann sind wir schon ausgeschieden!“ Auch wieder wahr.

Apropos Ausscheidungen: Was ist das bitte für eine Fanmeile, in der man ohne Probleme jederzeit überall Bier holen und aufs Klo gehen kann? Da kommt doch keine Stimmung auf! Im Gegenteil: Man fühlt sich deplatziert. Quasi wie ein Österreicher auf einem Fußballplatz.

„Wien wird Córdoba!“ Es ist der Wahnsinn: Für die Alpenrepublikaner ist dieses eine Spiel vor dreißig Jahren so wichtig wie für uns das Grundgesetz und Franz Beckenbauer zusammen. Ihre Nationalmannschaft, die damals – zugegebenermaßen nicht unverdient – pomadige Deutsche vom Platz kugelte, bestimmt die gesamte ballsportliche Landschaft im Land. Die „Deitschen“ geschlagen zu haben – das scheint in Österreich offenbar ein ehrenwerter Beruf zu sein: „Hansi“ Krankl kommentiert und singt auf jeder Bühne. „Hicke“ Hickersberger ist Nationaltrainer. „Schneckerl“ Prohaska kommentiert fürs Fernsehen: Graues, zurückgegeltes Haar, grauer Anzug, graue Zähne – ich bekam nachts im Salzburger Hotelzimmer vor dem Bildschirm richtig Angst, dass er gleich aus dem Gerät steigt und mich holen kommt. „Ey, Jederrrrrmannnn …!“ Buha! dem Bildschirm richtig Angst, dass er gleich aus dem Gerät steigt und mich holen kommt. „Ey, Jederrrrrmannnn …!“ Buha!

Córdoba, Córdoba, Córdoba.

Warum haben die eigentlich so eine große Rechnung offen mit uns? Die übliche Vergangenheitsbewältigung kann nicht der Grund sein für diese Rachegelüste. Mit der Geschichte scheinen sie viel lockerer umzugehen als wir.

Immerhin nennen sie auf der Homepage des ÖFB als größten sportlichen Erfolg „ihrer“ Nationalelf: die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Berlin. 1936. Ups! Nun, das ist sicherlich kein Erfolg, auf den man stolz sein könnte. Das ist überhaupt kein Erfolg. Und schon gar kein sportlicher. Ich kapiere es nicht.

Ich freue mich einfach. Auf meinen Auftritt heute auf der einzig wahren Fanmeile – der Hamburger. Und auf das Spiel. Für uns geht es ja auch nicht um so viel wie für die Österreicher. Wir sind ja ganz entspannt. Schlimmstenfalls scheiden wir aus. Die österreichische Elf dagegen spielt um Leben und Tod.

Und bereitet sich aufs Schlimmste vor: Ihr Mannschaftsarzt, der Professor Doktor Ernst Schopp, arbeitet hauptberuflich als Sport-Traumatologe. Nun, heute Abend werden sie ihn bestimmt brauchen.

Denn Wien wird ihr Waterloo.

EURO 2008 – ein Wintermärchen

07. Juni 2008

DER EM-EINWURF

EURO 2008 – ein Wintermärchen

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Jetzt flattern sie wieder, die Fahnen! Auf Fahrrädern, in Schrebergärten, an dunklen Limousinen: Schon im Mai haben wir bereits wieder Wimpel gezeigt. Die EURO kommt!

Bei den meisten Fahrzeugen, die jetzt beflaggt durchs Straßenbild kreuzen, handelt es sich eben nicht um Staatskarossen. Fehlen doch die Leibwächter, die, links und rechts des Kühlers laufend, wie weiland Clint Eastwood wachsamen Auges die Gefahren bannen sollen, die von außen kommen. Wie zum Beispiel die kroatische Nationalmannschaft.

Auf die wir aber unweigerlich treffen werden. Mag ich ja gar nicht, den Gedanken. Unangenehme Mannschaft, die. Blöde Erinnerungen, das.

Nach dieser durchwachsenen Bundesligasaison sind wir aber alle erstmal froh, dass wir den grausamen Durchmarsch der Bayern jetzt vergessen und uns auf etwas Schönes konzentrieren können. Denn es geht ja in den nächsten Wochen nicht um Erfolg. Wir haben keinen Druck. Schließlich treten wir ja nicht zu einem echten sportlichen Wettkampf an, wir engagieren uns. Für eine gute Sache: Ein Fußball-Turnier in unseren beiden südlichen Schwellenländern, nun, das geht doch, vorsichtig formuliert, mehr in Richtung Entwicklungshilfe. Wir versuchen, dort zu helfen, wo die Not am größten ist.

Das Geld für die Eintrittskarten der österreichischen Nationalmannschaft soll man ja auch, wie ich gehört habe, als Spende von der Steuer absetzen können.

Andererseits hat man ja bei der WM gesehen, wohin die Euphorie eine mindertalentierte Mannschaft bringen kann! Ich meine natürlich die Südkoreaner 2002…

Ehrlich? Gut. Auch wir Deutschen haben diesen Trick schon angewendet: Wenn man Motivatoren wie Berti Vogts und Erich Ribbeck als Trainer hat, Spieler wie Paulo Rink oder Marko Rehmer, also kurz gesagt: sportlich um die Qualifikation fürchten muss, bewirbt man sich einfach um die Ausrichtung des Turniers. Und wird dann letztlich sympathischer Dritter. Ein Ziel, das Österreich in der Vorrundengruppe B aber auch erstmal erreichen muss. Dazu muss man Polen schlagen. Oder uns. Oder Kroatien. Eh, nee können wir nicht doch noch die Gruppe wechseln? Okay, wir wollen ja Gegner und keine Opfer.

Apropos Opfer: Man kann den Österreichern und den Schweizern ja nichts vorwerfen. Die verschießen ja nicht absichtlich fünf Elfmeter in einem Spiel. Die wollen bestimmt auch treffen! Sie sind nur einfach, ehm, anders! Die haben Berge und Schnee. Wir haben – Bispingen!

Die Gastgeber der EURO haben eigentlich andere Stärken. Für uns Norddeutsche ist Wintersport eine schräge Sache.

Neujahrsspringen kann man sich ansehen, das ist gut zum Ausnüchtern. Ohne Restalkohol ist das aber nur so schwer zu ertragen wie ein Erstligaklub aus Hoffenheim. Das ist doch ein schlimmer Anblick: Beim Skispringen zeigen sie magersüchtige Männer! Wenn man mehr als drei Kilo wiegt, kommt man ja die Schanze gar nicht rauf! Deshalb brauchen die dabei auch immer absolute Windstille, sonst landen die Jungs im Wald. Und da im Unterholz kann man diese Äste lange suchen… Wahrscheinlich tragen sie deshalb diese knallbunten Anzüge, damit man sie im Zweifelsfall noch findet. Eiskunstlauf ist ja noch schlimmer. Allein die Musik macht einen doch verrückt: ‚Best Of Andrew Lloyd Webber‘ – ein Widerspruch in sich. Und dann haben die immer dieses festgefrorene Grinsen im Gesicht, das man nur von Hostessen auf der InterNorga kennt. Und dieselbe maschinell gebräunte Gesichtsfarbe. Also wirklich. Meine Oma hat immer gesagt: „Wenn Grillwürstchen in der Kühltruhe um ihr Leben tanzen würden, kurz bevor sie gefressen werden: Das ist Eiskunstlauf!“ Recht hatte sie. Und gut, dass wir unseren Rasensport haben. Herrlich. Da sind wir wer. Mit und ohne Fahne.