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Es geht rund
Eröffnung WM 2018

Als Hamburger tut man sich mit dem Thema Fußball zur Zeit ja relativ schwer. Da kommt die WM gerade richtig. Partien wie „Marokko gegen Iran“ oder „Japan gegen Senegal“ werden die sportlichen Leistungen der heimischen Clubs in ganz anderem Licht erscheinen lassen. Sollte Island den Titel holen, gibt es vielleicht sogar wieder Hoffnung für die Lahmen und Blinden von Millerntor und Volkspark.

Apropos Hoffnung: Alle Welt schimpft über die Autokraten – aber die WM ist definitiv basisdemokratisch, eine regelrechte Graswurzelbewegung. Zumindest scheint eine Qualifikation nicht wirklich stattgefunden zu haben, es ist quasi jeder dabei. Also, bis auf Italien und Holland. Das mag man bedauern: Eine WM ohne diese beiden Mannschaften fühlt sich an, als hätte man unsere älteren Geschwister irgendwo ausgesetzt. Auch, wenn man die immer schlagen muss, fehlen sie einem doch, wenn sie nicht da sin

Deren Plätze nehmen nun gewissermaßen Ägypten und Panama ein. „Es gibt keine kleinen Länder mehr!“, hat Rudi Völler zwar schon vor langer Zeit gesagt. Als wären die gewachsen. Oder als würde die räumliche Ausdehnung ein Kriterium darstellen. Aber immerhin können die nicht qualifizierten, wahren, oben genannten Fußballnationen nun Unparteiische stellen. Sog ar welche, die mit dieser Sportart bereits zu tun gehabt haben und insofern qualifiziert sind. Das könnte von Vorteil sein, wenn ich an so manche kenianische oder philippinische Schiedsrichterleistung bei den letzten Turnieren zurückdenke. Da wirkte der eine oder andere Referee so desorientiert wie Christoph Kramer und schien sich ebenfalls zu fragen, wo er eigentlich ist.

Diese WM ist so groß und so umfangreich, sie ist wie eine riesige Matrjoschka, Schale um Schale wird entfernt, bis man zum Kern vordringt. Bis sie freigelegt ist: Die innerste Puppe, die sich dann nicht mehr teilen lässt – der Titel. Für den TV-Zuschauer wird dieser Häutungsprozess allerdings mühsam: 364 Spiele, 128 Mannschaften aus 14 Erdteilen, das ist ein Teilnehmerfeld, so groß wie die „Konföderation“ bei Star Wars. Doch Putin ist Darth Vader. Und der Ball sein Todesstern. Manche sprechen von despotischer Gigantomanie, klar. Und von illegitimer Autokratie, logisch. Natürlich basiert auch dieses Turnier wieder auf Korruption und Geldwäsche, gibt es sportpolitische Skandale und Doping.

Aber seien wir ehrlich: Man will das alles doch letztlich gar nicht wissen. Jetzt will man doch nur noch, dass es endlich losgeht, denn es geht nur rund. Früher trank man, um zu vergessen. Heute schaut man Fußball. Am besten kombiniert man beides. Prost.